Verblasste Hasskappen
Die „Auflösung“ der Scheiteljugend
Um die Scheiteljugend Kassel ist es mittlerweile sehr still geworden. Denn zwei Tage nach der Veröffentlichung der Strukturen um Norik Eilert und Kevin Kohl gaben die stolzen Nordhessen über Instagram ihre endgültige Auflösung bekannt. Wenig glaubwürdig verkündeten sie, alle Ziele erreicht zu haben und darum in Zukunft ihre Aktivitäten einzustellen. Auch der obligatorischen Hinweis, die in der Veröffentlichung genannten Personen seien selbstverständlich nicht Teil der Gruppe und sowieso würde man sich niemals in der Öffentlichkeit ablichten lassen, wirkt mehr gezwungen als ernst gemeint.
Abzuwarten ist, ob zukünftig alle der Scheiteljugend zugerechneten Personen stärker in den Strukturaufbau des Stützpunkt „Kurhessen“ des Dritten Weg eingebunden werden, oder die entstandenen Kontakte – beispielsweise mit Thoralf Heise – anderweitig genutzt werden. Dass hinter dem panischen Schritt in Richtung Bedeutungslosigkeit nicht der erfolgreiche Abschluss ihrer rechten Vernetzungskampagne steht, sondern das Bekanntwerden ihrer Strukturen und Wohnorte ist naheliegend.
Es wird allerdings nicht nur die Sorge vor weiteren antifaschistischen Interventionen gewesen sein, die die sonst so selbstsicheren Neonazis zur Auflösung gezwungen hat. Auch drohender Repression oder gar einem Verbotsverfahren wollten sie damit wohl vorweg greifen.
Gegenwind und Repression
Denn offensichtlich rückten die Naziaktivitäten in Nordhessen der letzten Monate auch weiter in den Fokus von Polizei und Staatsschutz. Nachdem bereits im März die Gründungsveranstaltung des Dritten Weg Stützpunkt „Kurhessen“ in Richberg zu einem Polizeieinsatz führte, unterbrachen die staatlichen Behörden eine Woche nach der Veröffentlichung eine Kampfsportveranstaltung von Kevin Kohl in Bad Wildungen. Da ihm laut hr-Bericht bereits einige Wochen zuvor der Mietvertrag gekündigt wurde, konnte das Training nicht im „Fight Club 21“ stattfinden.
Auch der Reichshof war diesmal scheinbar keine Option, da das Nutzungsverbot des Landkreises mittlerweile konsequenter durchgesetzt wird. Stattdessen mussten die 22 Neonazis auf das Fitnessstudio „La Corpa“ in Bad Wildungen ausweichen, welches bereits zuvor für reguläre Trainings genutzt wurde. Der Besitzer des Studios beteuerte Kevin Kohl zwar zuvor gekannt, aber nichts von dessen politischer Positionierung gewusst zu haben. Bei keinem der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des „Kampfsportseminars“ sei ihm etwas aufgefallen. Die Schilderungen des Besitzers gegenüber der HNA bestätigen Kohl’s mittlerweile gescheiterte Strategie, mit seinem Kampfsportstudio möglichst harmlos und dadurch anschlussfähig aufzutreten. Nachdem Kevin Kohl nun ebenfalls die Räume im „La Corpa“ gekündigt wurden, steht der Kampfsportler jetzt politisch und wirtschaftlich vor dem Aus.
Mittlerweile bekennen sich die Nazis dementsprechend öffentlich zur NS-Kampfsportszene. Sowohl Kevin Kohl als auch Norik Eilert warben für die European Fight Night am 6.5.23 in Budapest, dem internationalen Ableger des extrem rechten Events „Kampf der Nibelungen“. Dass Kohl letztlich doch seine Räumlichkeiten aufgeben musste, ist wohl auf die gestiegene Öffentlichkeit über seine Naziaktivitäten und den Angriff auf den „Fight Club 21“ im November letzten Jahres zurückzuführen.
Die Aufmerksamkeit, die die Veröffentlichung geschaffen hat, erschwerte den Neonazis in den letzten Wochen die Arbeit deutlich. Das Nachwuchs-Projekt musste beendet werden, eine Veranstaltung wurde aufgelöst, die Räumlichkeiten sowie ihre Reichweite in den sozialen Medien haben stark gelitten. Doch weder die Auflösung der Scheiteljugend Kassel, noch die gelöschten Socialmedia Kanäle dürfen darüber hinwegtäuschen, dass die Akteur*innen weiterhin aktive Neonazis sind.
Auch der Reichshof bei Schwarzenborn zieht nach wie vor Neonazis an. Nikolai „Volkslehrer“ Nerling und Holocausleugner Axel Schlimper statteten am letzten Aprilwochenende dieses Jahres dem Hof in Schwarzenborn einen Besuch ab. Dabei wurde eine „Kreisgartenanlage“ als Zeremonienplatz gebaut, um sich mal wieder richtig „erden“ zu können.
Der Kontakt der Holocaustleugnerfamilie vom Reichshof zu Axel Schlimper ist nicht neu. Schlimper aus Haselbach war bis zum Verbot 2017 der thüringische Sektionsleiter der „Europäischen Aktion“, während Michèle Renouf selbst das englische Pendant anführte. Auch wenn die Naziesoterik weniger interessant ist als frühere Kampfsportevents zeigt sich daran doch, dass es mit einem Nutzungsverbot nicht getan ist und der Reichshof weiterhin in rechte Strukturen eingebunden bleibt – auch über die Grenzen Nordhessens hinweg.
Der gute Ruf der hessischen Polizei
Der allgemeine Medienrummel um die Offenlegung der Strukturen des Dritten Weg in Nordhessen traf auch den FDP-Kommunalpolitiker und Polizisten Manuel Luxenburger aus Bad Wildungen. Wegen des Fotos mit dem Neonazi Kohl im „Fight Club 21“ aus dem Herbst 2021 wurde nun ein Disziplinarverfahren gegen Luxenburger und einen weiteren Polizeibeamten eröffnet, der sich ebenfalls mit Neonazis hat ablichten lassen. Viel zu erwarten ist von einem solchen Verfahren erfahrungsgemäß jedoch nicht.