Überblick

Der Dritte Weg versucht in Nordhessen Fuß zu fassen. Aktivistinnen und Aktivisten aus dem Raum Kassel fahren bundesweit zu Aufmärschen und beteiligen sich am neonazistischen „Tag der Ehre“ in Budapest. Vor Ort wurden mehrere klandestine Veranstaltungen organisiert, darunter ein bundesweites Treffen der AG „Körper & Geist“. Mitte März wurde nun mit dem Stützpunkt „Kurhessen“ der erste Dritte Weg-Stützpunkt in Hessen gegründet.

Zugleich versucht eine neue Neonazigruppe mit martialischen Videos und weißen Sturmhauben Aufmerksamkeit zu erregen. Die „Scheiteljugend Kassel“ wirbt im Internet um neue Anhänger und versucht junge Neonazis in der Region zu vernetzen. So unterschiedlich die zwei Projekte auf den ersten Blick wirken: Sie werden teilweise von denselben Akteuren voran getrieben und versuchen sich gemeinsam an der Reorganisation der nordhessischen Naziszene.

Um diesen Bestrebungen konkret entgegenzutreten, bedarf es Information. Wir möchten mit dieser Veröffentlichung dazu beitragen und wollen zeigen, wer hinter den Aufbauversuchen steckt.

In unserem Text Nordhessische Neonazis in Gründerstimmung stellen wir den gegenwärtigen Stand rund um die Aufbaubestrebungen des Dritten Weg und den Vernetzungsversuch der Scheiteljugend dar. Maßgeblich in beide Projekte involviert sind die Neonaziaktivisten Kevin Kohl und Norik Eilert. Sie und weitere Beteiligte stellen wir in unserem Personenregister ausführlich vor.

Für die bisherigen Veranstaltungen konnte der Dritte Weg auf verschiedene Immobilien in Nordhessen zurückgreifen. Trotz offiziellem Nutzungsverbot wurde der „Reichshof“ des Ex-Terroristen Manfred Roeder im Knüllwald wiederbelebt und Kevin Kohl stellt sein Studio „Fight Club 21“ für Kampfsporttrainings zur Verfügung.

In unserer Chronologie findet sich eine Auflistung bisheriger Aktionen und Veranstaltungen, die in Zukunft fortlaufend ergänzt werden soll.

Am 16. Februar, zwei Tage nach der Veröffentlichung, löste sich die Scheiteljugend offiziell auf. Eine Einordnung zur formellen Auflösung, zu dem Verlust der Räumlichkeiten und zu den jüngsten Entwicklungen rund um den Reichshof findet sich im Update Verblasste Hasskappen.

Schließlich möchten wir um Mithilfe bitten. In einem Gruppenbild finden sich Personen, die in den neuen Strukturen aktiv sind oder Verbindungen zu ihnen aufweisen. Informationen zu ihnen nehmen wir gerne vertraulich über unser verschlüsseltes Kontaktformular entgegen.


Nordhessische Neonazis in Gründerstimmung

Ein Dritter Weg-Stützpunkt in Nordhessen

Seit Ende 2021 lassen sich verstärkte Aktivitäten des Dritten Weg in Nordhessen feststellen. Seitdem wurden bis 2023 knapp 10 Veranstaltungen mit teilweise bundesweiter Beteiligung durchgeführt: Von Schulungen und Vorträgen, über Wanderungen und Liederabende, bis hin zu Kampfsportveranstaltungen. Ganz dem Strukturaufbauprogramm des Dritten Weg entsprechend, wurde im März als vorläufiger Höhepunkt der Stützpunkt „Kurhessen“ gegründet. Dieser umfasst – angelehnt an die Verwaltungsgliederung im Deutschen Reich – Nordhessen, sowie die Kreise Fulda und Marburg.

Die Gründungsveranstaltung fand dabei am 12. März im Reichshof in Schwarzenborn statt. Ungefähr 40 Personen aus dem Bundesgebiet waren angereist und führten begeleitet durch Reden von Julian Bender und Parteivorsitzendem Matthias Fischer eine Fackelzeremonie durch. Im Vorfeld hatte bereits über das Wochenende hinweg eine überregionale Stützpunktleiterschulung samt Kampfsporttraining stattgefunden.

Auch wenn die Propaganda zum neuen Stützpunkt „Kurhessen“ darüber hinwegtäuschen soll: Statt einer florierenden Bewegung, handelt es sich bei dem Dritten Weg in Nordhessen in Realität eher um einen sehr überschaubaren Personenkreis aus umtriebigen Neonazis, die versuchen das Bild eines „Schanzwerk des Aufbaus“ zu zeichnen. Von ihnen trat der 23-jährige Neonazi Norik Eilert als Ansprechpartner für den Stützpunkt „Kurhessen“ auf.

Norik Eilert aus Hemfurth im Edertal ist erstmals als Teilnehmer einer Demonstration der Identitären Bewegung in Halle 2019 und bei dem „Marsch für das Leben“ in Berlin 2021 aufgefallen. Seitdem ist er regelmäßig auf Demonstrationen anzutreffen: Seit 2021 beteiligte er sich mit anderen Personen aus der neuen Nazivernetzung an Querdenken-Protesten und trat bei Aufmärschen des Dritten Weg in Ostdeutschland auf. Er konnte als Teilnehmer einer Aktion der Scheiteljugend zum Volkstrauertag 2021 bei Ober-Werbe (Waldeck) identifiziert werden.

2022 nahm er gemeinsam mit Kevin Kohl am „Tag der Ehre“ in Budapest teil. Im Folgejahr war Eilert stattdessen Teil einer knapp 10-köpfigen Reisegruppe aus dem Umfeld der Scheiteljugend, die zum „Trauermarsch“ nach Dresden fuhr. Dieser fand am 13. Februar – gleichzeitig zum Neonazievent in Ungarn – statt.

Neben der Teilnahme an etlichen Demonstrationen tritt Eilert auch als Ansprechperson für das Vorläuferprojekt der Scheiteljugend auf, die „Wanderjugend Nordhessen“. Bei beiden Nazigründungsprojekten, dem Dritten Weg und der Scheiteljugend, stellt Norik Eilert somit eine exponierte Person dar.

Neben Eilert ist Kevin Kohl aus Bad Wildungen/Giflitz eine zentrale Figur für den Stützpunktaufbau des Dritten Weg. Kohl ist seit seiner Jugend Neonazi. Er bewegte sich zeitweise im Hooliganmilieu des KSV und nahm mit Mitgliedern der Kasseler Kameradschaftsszene, darunter Markus Hartmann, Ende der 2000er an NPD-Stammtischen teil. Als gelernter Trockenbauer sattelte er in die Sicherheitsbranche um und gründete 2013 mit „Sense of Security“ sein eigenes Sicherheitsunternehmen. Seit 2016 besitzt er mit dem „Fight Club 21“ ein eigenes Kampfsportstudio.

Diese Ressourcen bringt er auch in die Naziszene ein: So trat er mit seiner Sicherheitsfirma bei Rechtsrockkonzerten als Security auf, etwa 2018 bei einem Rechtsrockkonzert im mittelhessischen Leun. Mit dem Aufbau des Dritten Weg-Stützpunkts gewinnt dies neue Aktualität. Kohl nutzt seine Erfahrungen als Sicherheitsmitarbeiter für den Schutz von Veranstaltungen des Dritten Weg, trainiert Kameraden im Kampfsport und stellt sein Sportstudio „Fight Club 21“ für Naziaktivitäten zur Verfügung.

Baumstämme tragen mit der AG Körper & Geist

Vom 16.-18. September 2022 fand in Nordhessen ein internes Treffen der AG „Körper & Geist“ statt, einer Arbeitsgemeinschaft des Dritten Weg. Knapp über 20 Aktivist*innen aus u.a. Sachsen, Bayern und Brandenburg reisten an und wurden teils von lokalen Aktivist*innen vom Bahnhof Treysa zum Treffpunkt gefahren.

Auf dem Programm stand eine Wanderung im militärischen Auftreten, Eisbaden und das Herumtragen von Knülleichen. Kevin Kohl trainierte die teilnehmenden Neonazis in Straßenkampftechniken, wofür der „Fight Club 21“ in Bad Wildungen als Räumlichkeit genutzt wurde.

Interessant ist, dass der Reichshof im nordhessischen Knüllwald für die Neonazis des Dritten Weg als Übernachtungs- und Veranstaltungsort diente. Der Reichshof ist als Immobilie seit mittlerweile knapp 50 Jahren in Besitz der extremen Rechten. Bis kurz vor seinem Tod 2014 wurde das Anwesen von Manfred Roeder genutzt. Es folgten Veranstaltungen von Meinolf Schönborn – bis 2017 ein Nutzungsverbot durch den Landrat ausgesprochen wurde und Schönborn 2020 schließlich ins nordhessische Gieselwerder verzog. Seitdem verschwand der Reichshof aus der öffentlichen Aufmerksamkeit – fälschlicherweise, wie die Nutzung durch den Dritten Weg nun zeigt.

Auch bei der Gründung des Stützpunktes „Kurhessen“ und der vorher stattfindenden Schulung diente der Reichshof als Anlaufstelle. Es ist davon auszugehen, dass es bereits früher für Veranstaltungen zur Verfügung stand und auch zukünftig vom Dritten Weg genutzt werden kann. Aktuell ist er weiterhin im Besitz der Holocaustleugner*innenfamilie Renouf aus England.

Das Sportwochenende der AG „Körper & Geist“ in Nordhessen zeigt darüber hinaus zwei Dinge: Die lokalen Aktivist*innen sind gut in die bundesweite Dritte Weg-Struktur, insbesondere in die Aktivitäten der AG „Körper & Geist“, eingebunden. Außerdem gelingt es ihnen, auf brachliegende Ressourcen der alten nordhessischen Naziszene zurückzugreifen und sie für das Aufbauprojekt nutzbar zu machen.

Bundesweite Vernetzung

Das Sportwochenende war nicht das erste Mal, dass Kevin Kohl und Norik Eilert Aktivitäten der AG „Körper & Geist“ durchführten. So waren sie etwa in die Organisation eines Selbstverteidigungstrainings des Stützpunkts „Westerwald“ im März 2022 eingebunden. Als Teil der Reisegruppe des Dritten Weg absolvierten sie 2022 den sogenannten „Ausbruchsmarsch“ zum „Tag der Ehre“ in Budapest. Der „Tag der Ehre“ ist ein jährliches Neonazievent in Ungarn, wo ausgerechnet der gescheiterte Ausbruchsversuch und massenhafte Tod von SS-Einheiten zu Kriegsende heroisiert wird.

Auch dieses Jahr waren mit Sandra Wagner und Mario Wetzel erneut nordhessische Neonazis in Budapest, als Teil der Reisegruppe um Matthias Herrmann vertreten. Sandra Wagner war bereits zuvor als Teilnehmerin von Aufmärschen des Dritten Weg aufgefallen und konnte auch beim Wochenende der AG „Körper & Geist“ festgestellt werden.

Eine weitere Vernetzung der Aktivist*innen des Dritten Weg besteht zur Marburger Burschenschaft Germania. Am 22. Oktober 2022 besuchten Norik Eilert und Kevin Kohl gemeinsam die Mensur von Max Eichhorn. Das Paukduell fand im Vorfeld einer Vortragsveranstaltung auf der Nazivilla statt. Kohl selbst war auch schon zuvor auf dem Germanenhaus in Marburg aufgefallen.

Die Vernetzung der Aktivist*innen nach Marburg ist nicht überraschend, weist die Germania doch schon seit Jahren eine Nähe zum Dritten Weg auf. So ist zu vermuten, dass das Haus der Germania auch der Marburger Anlaufpunkt für den neugegründeten Stützpunkt „Kurhessen“ sein wird. Mehrere Germanen wie Patrick Bass, Tobias Sauer und Till Weckmüller waren selbst bei dem Dritten Weg oder dessen Vorläuferstruktur, dem Freien-Netz-Süd, aktiv. 2018 besuchten Mitglieder des Dritten Weg eine Veranstaltung mit dem französischen Vordenker der „Neuen Rechten“ und Mitgründer des „GRECE“, Alain de Benoist auf dem Marburger Germanenhaus.

Ein Relikt aus Nordhessen: das Thule-Seminar

Als Pendant des französischen „GRECE“-Zirkels und Ableger der „Neuen Rechten“ in Deutschland wird häufiger das 1980 in Kassel gegründete Thule-Seminar bezeichnet. Im Gegensatz zum Selbstanspruch aus der Gründungszeit, handelt es sich bei der selbsternannten Ideenschmiede aus Bad Wildungen gegenwärtig vielmehr um eine überalterte Sekte, die einen heidnisch-esoterisch aufgeladenen Nationalsozialismus propagiert.

Hierfür landete der Vorstand des Thule-Seminar im Herbst 2022 sogar vor Gericht. Pierre Krebs, Gudrun Schwarz und Burkhart Weecke wurden wegen eines Kalenders, dem „Taschenbuchplaner der Avantgarde“, der Volksverhetzung angeklagt. Vor Ort fanden sich mehrere Unterstützer*innen ein, darunter Kevin Kohl vom Dritten Weg „Kurhessen“.

Kevin Kohl und Pierre Krebs kennen sich bereits. Im Oktober 2021 referierte Krebs bei der ersten Parteivorstellung des Dritten Weg in Nordhessen. Er tritt seit Jahren immer wieder auf Veranstaltungen auf: Ob als Redner auf dem „Bismarck-Tag“, als Referent auf dem Gründungsseminar der AG „Feder & Schwert“ in Plauen oder als regelmäßiger Gast bei der parteieigenen Radioshow. Elitärer Habitus und fehlende parteieigene Intellektuelle bringen das Thule-Seminar und den Dritten Weg immer wieder zusammen.

Gut bekannt sein dürfte Krebs auch mit der Besitzerin des Reichshofs, Ludmilla Ivan-Zadeh und ihrer Mutter Michèle Renouf, die als Hausherrin für den Reichshof auftrat. Michèle Renouf war bis zur Selbstauflösung 2017 englische Sektionsleiterin der Holocaustleugner*innen-Organisation „Europäische Aktion“. Krebs kündigte bereits 2013 auf dem Eichsfeldtag in Leinefelde an, eng mit der Organisation zusammen zu arbeiten und trat bei Veranstaltungen als Redner auf.

Auch wenn das Jahr 2022 alles andere als gut für das Thule Seminar lief: Die räumliche und politische Nähe zu den Aktivist*innen des Dritten Weg erneuert zweifelsohne Krebs lokale Zuhörer*innenschaft.

Die Einbindung des Thule-Seminars sowie die Nutzung des Reichshofs stellt den erfolgreichen Rückgriff auf Ressourcen der alten nordhessischen Naziszene durch den Dritten Weg dar. Noch besitzt der Stützpunkt „Kurhessen“ kein offizielles Parteibüro, in Planung ist es aber sicherlich. Egal ob im Reichshof, in der Straße der Jugend oder in einer eigens neu gekauften Immobilie – gemeinsam mit der bundesweiten Vernetzung der lokalen Aktivistinnen und Aktivisten, ist die Möglichkeit eines neuen Nazizentrums in Nordhessen sicherlich ein Grund für die Gefährlichkeit des gegenwärtigen Aufbauprojekts. Umso wichtiger ist es jetzt, solche Bestrebungen frühzeitig zu erkennen und zu verhindern.

Nordhessische Neonazivernetzung: Die Scheiteljugend

Eine weitere Aufbaubestrebung rund um die Neonazis Kevin Kohl und Norik Eilert stellt die neu gegründete „Scheiteljugend Kassel“ dar. Seit Anfang 2021 versucht sie Neonazis aus dem Raum Nordhessen zu vernetzen. Mit kurzen, martialischen Videoclips und Gruppenfotos in billiger Ku-Klux-Klan-Optik buhlen die Nazis auf Instagram und Youtube um Aufmerksamkeit. Mit vermeintlicher Straßendominanz und dem Bild einer sportlichen Gemeinschaft wird zielgerichtet versucht junge, männliche und bisher nicht organisierte Neonazis aus der Region anzusprechen. Offline werden die vereinzelten Nazis aus Nordhessen zusammengeführt, um sich zum Kampfsport zu treffen.

Die Scheiteljugend kommt nicht aus dem Nichts. Voraus gegangen waren ihr mehrere Vernetzungsversuche im Raum Nordhessen. 2019 präsentierten sich vier Neonazis aus der Region wie sie an einer Scheune in Zierenberg-Oberelsungen stundenlang ein Antifa-Graffiti von der Wand schmirgelten und zur Vernetzung aufriefen. 2020 und 2021 wurde über die Telegramkanäle „Patriotenfunk Nordhessen“ und „Heimatecho“ zur Organisierung aufgefordert. Auf Youtube diente der Kanal „Machtwechsel“ als Plattform für Videos und bewarb eine Vernetzung für das Dreiländereck Hessen-Thüringen-Niedersachsen. Bei Instagram entstand 2021 die „Wanderjugend Nordhessen“ und versuchte, dem aktuellen Trend der Naziszene folgend, mit Naturbildern und Heimatzitaten, um Mitglieder zu werben.

Für „Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung“?

Der im Internet nachvollziehbare Selbstfindungsprozess der Aktivisten mündete schließlich in das etwas mehr Spannung versprechende Label „Scheiteljugend Kassel“. Mitglieder kommen, entgegen dem Namen, aus dem ganzen Raum Nordhessen: etwa aus dem Edertal, Bad Wildungen, Homberg (Efze), Gudensberg und Bad Sooden-Allendorf. Auch wenn mit Norik Eilert und Kevin Kohl mindestens zwei Personalüberschneidungen zum Dritten Weg bestehen, ist die Scheiteljugend nicht streng parteigebunden und weist eher eine Nähe zur JN auf.

Erste Auftritte der neuen Nazivernetzung jenseits des Internets konnten im Jahr 2021 und 2022 auf Querdenken-Demonstrationen beobachtet werden. Am 27. November nahm etwa Carsten Dietrich mit weiteren mutmaßlichen Mitgliedern an einer Kundgebung vor dem Rathaus teil.

Carsten Dietrich stammt aus der Identitären Bewegung und war zeitweise stellvertretender Sprecher der Kasseler Jungen Alternative. Dass er nun in der Nazivernetzung gelandet ist, zeigt wie fließend der Übergang zwischen Strukturen der „Neuen Rechten“ und den jungen NS-Gruppen mittlerweile ist. Auch in Propagandastrategie und der Nutzung von Internetplattformen adaptieren Gruppen wie die Scheiteljugend das Rezept der IB – inklusive der medialen Selbstüberhöhung.

Auch der Scheiteljugend Aktivist Norik Eilert besuchte mehrere Querdenken-Demonstrationen in Bad Wildungen und Kassel. Am 12. November 2021 reiste er etwa mit dem Schwälmer Schläger-Nazi Tristan Gerberich zu einer Kundgebung in Kassel. Gerberich ist kein Unbekannter. Seine Vita liest sich eher wie die eines gewalttätigen Intensivtäters, als die eines volksnahen Patrioten. Er beging mehrere Körperverletzungen, u.a. mit Mitgliedern des ehemaligen Landesvorstands der Partei „Die Rechte“ und dem Neonazi Tom Klie.

Bei der Versammlung am Hauptbahnhof zeigte sich dann auch, dass das Verhältnis zum Querdenken-Milieu nicht nur harmonisch ist. Auf die Verurteilung des durch die Corona-Politik drohenden „Impfholocaust“ durch einen Querdenker reagierten die beiden Neonazis allergisch. Pöbelnd verließen sie das Feld, war ihrer Ansicht nach doch gerade der echte Holocaust verunglimpft worden.

Diese denkwürdige Spaltungslinie erscheint dabei recht charakteristisch für die Scheiteljugend und ihr Umfeld: NS-LARP und Gewalttätigkeit sorgen bei den Meisten außerhalb der eigenen Szene wohl eher für Irritation und Befremdung.

Die Scheiteljugend in Dresden

Gegenwärtig lässt sich neben Norik Eilert, Kevin Kohl, Carsten Dietrich und Tristan Gerberich noch bei mehreren weiteren Neonazis von einer Teilnahme an Aktivitäten der Scheiteljugend ausgehen. Hierunter fallen auch „Dennis“, Leon Halpape und Thoralf Heise. Thoralf Heise, jüngster Sohne von Thorsten und Nadine Heise aus Fretterode, reiste mit u.a. Eilert und „Dennis“ 2023 gemeinsam zum „Trauermarsch“ in Dresden an.

Der Neonazi „Dennis“ bewegt sich aktuell noch im Umfeld der „Chaosboys“. Bei den „Chaosboys“ handelt es sich um eine Fangruppe des KSV, die allerdings nicht Teil des Ultra-Zusammenschluss „Block30“ ist. Leon Halpape dagegen ist aufgrund seiner Naziaktivitäten mittlerweile bereits kein gern gesehener Gast mehr in der Kurve des Kasseler Sportvereins. Halpape kommt aus Witzenhausen und ist mit Thoralf Heise und seinem Umfeld befreundet.

Die personelle Überschneidung der nordhessischen Neonazis mit der Heise-Familie verdeutlicht nicht zuletzt die feste Verankerung der noch recht jungen Struktur in militanten Neonazikreisen und passt bestens zu deren Selbstinszenierung.

Ausblick

Dass der Dritte Weg und die Scheiteljugend versuchen in Nordhessen Fuß zu fassen, ist unerfreulich aber nicht überraschend. Mit ihrem Vernetzungs- und Aufbauprojekt können sie in eine Lücke stoßen, die die desorganisierte alte Neonaziszene hinterlassen hat.

Dem bundesweiten Trend vorauseilend, ist in Nordhessen schon länger keine funktionierende NPD-Struktur mehr feststellbar. Die Partei „Die Rechte“ hat nach zwei erfolglosen Gründungsversuchen ihren Landesverband in Hessen aufgegeben. Auch die mehr oder weniger konspirative Combat 18-Zelle in Nordhessen, die im Juli 2018 durch Antifaschist*innen aufgeklärt wurde, fiel vor Ort nie durch eigene Aktivitäten oder nachvollziehbare nationalsozialistische Agitation auf.

Erschwerend kommt hinzu, dass die beiden von Neonazis begangenen Morde an Halit Yozgat und Walter Lübcke in Kassel zu einer Atmosphäre führten, die offene Nazipolitik denkbar unattraktiv macht. Antifaschistische Aktivitäten und ein großes öffentliches Interesse – insbesondere ab 2019 – haben dazu beigetragen, dass bekannte Akteur*innen sich lieber bedeckt halten. Wer über irgendeine Ecke mit den Mördern in Verbindung gebracht werden konnte, musste damit rechnen, Spiegel TV vor der eigenen Haustür zu begegnen.

Frei von diesen Altlasten treffen der Dritte Weg und Scheiteljugend auf ein vorhandenes Potential im reaktionären Nordhessen. Gerade in den ländlichen Regionen zwischen Kassel und Marburg mussten sie bisher nicht viel Gegenwehr erwarten. Konspiratives bis paranoides Verhalten hat dazu beigetragen, dass sie eine Zeit lang weitgehend verdeckt agieren konnten.

Diesen Schutz gilt es hiermit zu brechen. Meldet Nazi-Aktivitäten und lasst uns gemeinsam antifaschistisch auf die Aktivitäten von Scheiteljugend und Drittem Weg in Nordhessen antworten.