Gegen den Dritten Weg in Nordhessen

Der alternde Neonazi Pierre Krebs, geboren 1946 in Algier, ist seit Jahrzehnten bemüht das deutsche Thule Seminar nach dem Vorbild des französischen GRECE (Groupement de recherche et d’études pour la civilisation européenne – Forschungs- und Studiengruppe für die europäische Zivilisation) aufzubauen. In letzter Zeit fiel Krebs vor allem auf, weil sich mit der noch jungen Dritten Weg-Struktur wieder eine regionale Zuhörerschaft für ihn gefunden hat.

Bevor Krebs nach Deutschland auswanderte, studierte er zunächst in Montpellier und Paris. Im Anschluss zog er für sein Studium nach Göttingen und absolvierte in Kassel ein Staatsexamen für Politik, Geschichte und Französisch. Heute wohnt er am Rand des nordhessischen Dorfes Bad Emstal (Am Bergcafe 48, 34308 Bad Emstal-Sand) in direkter Nähe zum Naturfreundehaus.

Laut Selbstbezeichnung ist Krebs Philosoph und Schriftsteller. Er sieht sich selbst als ein entschiedener Gegner des „Egalitarismus“ und ist Mitglied der Artgemeinschaft. Die Artgemeinschaft ist eine esoterisch-völkische Organisation, welche rassistisches, antisemitisches und revisionistisches Gedankengut vertritt und verbreitet. Zeitweise war Stephan Ernst Mitglied der Artgemeinschaft, sie weist darüber hinaus Bezüge zum NSU auf.

Krebs ist bekannt dafür, dass er seine ideologischen Ansichten gerne ausschweifend in Schrift und Wort verbreitet. Für diese hatte er in den vergangenen Jahrzehnten eine breitere Bühne als heute.

So wird er in den letzen Jahren fast nur noch für Veranstaltungen der Naziszene als Redner gebucht, wie z.B. von dem Nationaldemokratischen Hochschul-Bund. Wenn er gerade keine Bühne als Redner hat, verfasst er Bücher und Online-Beiträge, welche die hauseigene „Thule-Bibliothek“ und Internetseite erweitern.

Die mit Schwarzen Sonnen überfrachtete Website des Thule-Seminars wurde dabei von Peter Hauer erstellt. Der kürzlich verstorbene Neonazi war Mitangeklagter im Prozess gegen die Holocaustleugner*innen-Organisation „Europäische Aktion“, für die Krebs auch als Redner auftrat. Für eine neu erstellte Seite zeigte sich der Neonazi Tobias Schulz verantwortlich.

Das Thule-Seminar selbst besteht dabei neben dem Vorsitzenden Pierre Krebs aus Gudrun Schwarz und Burkhart Weecke. Es versteht sich als „geistig-geschichtliche Ideenschmiede“, die eine künftige Neuordnung aller europäischer Völker anstrebt. Dass Krebs, selbsternannter Ethno-Sozialist, von „Menschenrassen“ spricht, verwundert bei seinem Geschwafel vom identitären Bewusstsein nicht. Krebs geht davon aus, dass das neue politische Selbstverständnis ein biokulturelles und heidnisches sein wird. Wie er seinen Größenwahn mit seiner immer geringer werdenden Relevanz vereinen kann, ist fraglich.

Die letzte Zeit lief dabei besonders schlecht für das Thule Seminar. Die früher jährlich stattfindende „Tafelrunde der freien Geister“ konnte nicht durchgeführt werden, weil mit der Gedächtnisstätte Guthmannshausen die angedachte Örtlichkeit zum Teil abgebrannt ist. Hiermit fiel, neben sporadischen kleineren Treffen in Bad Wildungen, die letzte größere Aktivität des Thule-Seminars weg. Im September folgte vor dem Amtsgericht Fritzlar eine Verurteilung wegen Volksverhetzung für Pierre Krebs und Gudrun Schwarz. Eine erneute Hausdurchsuchung im November 2022 verkraftete Krebs nicht mehr gut: Als der eingesetzte Spürhund sein Versteck mit Datenträgern in der Küche erschnüffelte, erlitt er einen Nervenzusammenbruch und ging die anwesende Polizei an.