Der Reichshof

Der Reichshof, eigentlich „Haus Richberg“, ist ein Anwesen im Schwalm-Eder-Kreis, das seit fast 50 Jahren als Wohn- und Veranstaltungsort für Neonazis dient. Die abgeschiedene Immobilie befindet sich in der Richbergstr. 4 in Richberg, einem Teil von Schwarzenborn, der allerdings nicht mehr ist als ein paar Häuser und eine Straße außerhalb der eigentlichen Ortschaft.

Um den Reichshof ist es in den letzten Jahren eher ruhig gewesen. Nun zeigt sich: Die Neonazis vom Dritten Weg in Nordhessen greifen auf das traditionsreiche Anwesen für ihre Veranstaltungen zurück.

Geschichte

Der mittlerweile verstorbene Alt-Nazi und Rechtsterrorist Manfred und seine Frau Gertrud Roeder hatten das 32 Hektar große Anwesen 1975 für 170.000 DM erworben. Mit seinen Tagungsräumen und 15 Gäst*innenzimmern eignete sich die abgelegene Immobilie perfekt als Veranstaltungsort. Seitdem fanden dort regelmäßige Heimatabende, Zeltlager und Sonnenwendfeiern statt, teils mit Szenegrößen aus dem In- und Ausland. In der Hochphase von Mitte der 1990er bis Mitte der 2000er Jahre war es Roeder gelungen, den Reichshof zu einem gut frequentierten Ort der lokalen und bundesweiten Naziszene zu machen.

Mit zunehmendem Alter und voranschreitendem geistigen Verfall überwarf sich Roeder jedoch mit großen Teilen der rechten Szene und agierte verstärkt isoliert. Damit nahmen auch die Aktivitäten auf dem Reichshof ab. Roeder starb im Juli 2014 als wunderlicher alter Mann im benachbarten Neukirchen. Sein Andenken spielt heute, über das Anwesen hinaus, keine Rolle.

Schon 2013 hatte einer seiner Söhne das Anwesen verkauft. Neue Besitzerin war Ludmila Ivan-Zadeh, die Tochter der aus Australien stammenden, international bekannten Holocaustleugnerin Lady Michèle Renouf. Seit der Übernahme fanden wieder vermehrt Veranstaltungen auf dem Reichshof statt.

Im Dezember 2015 lud erstmals Meinolf Schönborn mit seiner Organisation Recht und Wahrheit ein und führte damit die Tradition der Sonnenwendfeiern im Knüll fort. Auch die Sommersonnenwende 2016 veranstaltete er auf Einladung von Renouf dort. Für das Frühjahr 2017 stellte das antifaschistische Recherche-Magazin lotta mindestens vier öffentliche Veranstaltungen fest.

Im Juni 2017 sprach daraufhin der Landrat des Schwalm-Eder-Kreises ein Nutzungsverbot für gewerbliche und öffentliche Veranstaltungen auf dem Anwesen aus. Damit gingen die Aktivitäten wieder deutlich zurück. Das antifaschistische Recherche-Magazin der rechte rand gibt an, zwischen Juni 2017 und August 2019 keine weiteren öffentlichen Veranstaltungen festgestellt zu haben. Damit geriet der Reichshof vorübergehend aus dem Fokus.

Alte Infrastruktur, neue Leute

Scheinbar waren in den letzten Jahren keine öffentlichen oder gewerblichen Veranstaltungen auf dem Reichshof feststellbar. Daraus abzuleiten, das Problem des Nazizentrums in Nordhessen habe sich durch das Nutzungsverbot einfach erledigt, entpuppt sich leider als bloßes Wunschdenken.

Mit den Aktivitäten des Dritten Weg in Nordhessen zeigt sich nun, dass Neonazis aus der Region sehr wohl noch auf die Immobilie für ihre Aktivitäten zurückgreifen. Nutzungsverbot hin oder her.

Mindestens am Wochenende vom 16. bis 18. September 2022 führte die AG „Körper und Geist” des Dritten Weg auf dem Reichshof ein “Trainingswochende” durch. Auch am Wochende des 12. März wurde eine überregionale Stützpunktleiterschulung durchgeführt, die in der Gründung des Stützpunktes „Kurhessen“ mündete.

Bisher wurden alle Aktivitäten der Nordhessen-Gruppe erst im Nachhinein in Form von Berichten auf der Parteiwebsite angepriesen. Die Orte, an denen deren Veranstaltungen bisher durchgeführt wurden, werden dabei bestenfalls nebulös umschrieben. Wir gehen davon aus, dass neben den zwei erwähnten überregionalen Veranstaltungen, noch mehr Aktivitäten des Dritten Weg auf dem Reichshof stattfanden und zukünftig dort stattfinden werden.

Neben den Renoufs wurde der Reichshof von Ewald Rumpf genutzt. Der 80-Jährige Hobby-Bildhauer und ehemalige Psychologieprofessor der Universität Kassel verlor im Jahr 2022 seine Werkstatt in Remsfeld und hatte mit der Naziimmobilie einen zeitweiligen Ersatz gefunden.


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